Eine Gewissensfrage, die nicht nur für die zukünftigen Welpenbesitzer genau überlegt werden will.

Seit jüngerer Zeit ist der Trend erkennbar, dass die Nachfrage nach Hündinnen diejenige nach Rüden deutlich übersteigt.

Der einzelne Interessent beantwortet die Frage nach dem Geschlecht seines zukünftigen Hundes aus seiner persönlichen Perspektive. Neben der unbenommen Sicht des Erwerbers sind allerdings auch Überlegungen des einzelnen Züchters wie auch der Zuchtleitung des VDH wesentlich, wenn Fragen der Welpenvermittlung diskutiert werden. Nachfolgend wird der Versuch unternommen, die verschiedenen Aspekte der Frage „Rüde oder Hündin?“ etwas näher zu beleuchten. Es sei vorweggeschickt, dass es sich bei den Aussagen, die unmittelbar auf den Hund abheben, nur um die Darstellung von Tendenzen handeln kann.

Unter den Welpeninteressenten ist die Vermutung nicht selten, Hündinnen seien generell leichtführiger, anhänglicher, verschmuster und weniger stur als Rüden. Namentlich bei Erstlingsführern führt dieses „Argument“ häufig dazu, sich eingleisig um eine Hündin zu bemühen. Begründet wird die These damit, Rüden hätten einen quasi angeborenen Führungsanspruch und damit einen ausgeprägteren Willen, im eigenen Rudel den Kopf durchzusetzen. Hierbei wird außer acht gelassen, dass es im vergleichbaren Wolfsrudel neben dem Alpharüden immer auch eine Alphawölfin mit Führungsfunktion gibt, daneben aber eben auch Rüden und Wölfinnen in untergeordneten Rangpositionen. In Analogie bestimmt letztlich der Hundeführer, in welche Position im „Rudel“ er seinen Hund aufrücken lässt. Ob sich der Hundeführer durchsetzt und der Hund unterordnet, ist keine Frage des Geschlechts.

Mit einem Malinois, der im zweckmäßigen Alter von acht bis zehn Wochen in die Hände eines konsequenten und einfühlsamen Ausbilders gelangt, wird es kaum ernsthafte Schwierigkeiten mit der Unterordnung geben. Umgekehrt kann die Situation, dass sich ein Hund als absoluter Kopfhund gebärdet, bei Rüden und Hündinnen gleichermaßen auftreten. Was das Verhalten gegenüber Dritten und vor allem Kindern betrifft, wird dieses nicht durch das Geschlecht des Hundes, sondern vielmehr durch dessen Sozialisierung als Welpe und Junghund beeinflusst.

Die angebliche „Leichtführigkeit“ einer Hündin kann auch eine ausgeprägte Form der Sensibilität sein, für die ein in der Erziehung und Ausbildung normales Maß an Autorität des Führers schon zu viel ist. Rüden hingegen reagieren auf Druck eher gelassen und verzeihen gelegentliche Erziehungsfehler leichter, was sie gerade für unerfahrene Führer interessant macht – umgekehrt zur landläufigen Meinung.

Zweimal im Jahr wird eine Hündin läufig. Manche Hündinnen sind dann während einiger Tage nur bedingt einsatzfähig. So treten zum Beispiel Stimmungsschwankungen oder übermäßiger Appetit auf. Auch kann es sein, dass eine Hündin auf einfallsreiche Weise versucht, zu einem Rüden zu gelangen. Hinzu kommt, dass es sich per se verbietet, eine läufige Hündin dort einzusetzen, wo gegebenenfalls auch Rüden arbeiten sollen. Im Verlauf einer Prüfung erfordern läufige Kandidatinnen zudem immer eine gewisse „Sonderbehandlung“ .

Hormone

Ein anderes Phänomen, das nur bei Hündinnen auftritt, ist die Scheinträchtigkeit als Folge hormoneller Fehlsteuerungen. Entsprechend veranlagte Tiere zeigen zum „imaginären“ Wurftermin typisches Nestbau- und Brutpflegeverhalten. Manche sind kaum mehr zu bewegen, ihre Hütte zu verlassen. Dies kann ebenfalls Auslöser dafür sein, dass eine Hündin ihre sportlichen oder Prüfungssaufgaben nur eingeschränkt wahrnimmt. Zudem steigt aufgrund des in der Scheinträchtigkeit häufig stark ausgebildeten Gesäuges das Verletzungsrisiko im Einsatz. Veterinärmedizinisch gilt ein Zusammenhang zwischen genetischer Disposition für die Scheinträchtigkeit und erhöhtem Risiko für Gesäugetumore als gesichert.

Bei allen Schutzhunderassen sind im Durchschnitt Rüden im Wuchs höher und mit mehr Körpermaße ausgestattet. Sie bringen längere Läufe, einen schwereren Kopf und Fang sowie ein höheres Körpergewicht mit. Daneben ist die Beobachtung nicht uninteressant, dass manche Rüden hinsichtlich ihres Wesens bereits mit gut zwei Jahren ausgereift und gefestigt sind, während dies bei einer Hündin etwa zweieinhalb Jahre dauern kann.

Die Schärfe an sich ist nicht geschlechtsspezifisch, sondern bei Rüden wie Hündinnen eine Frage der Veranlagung sowie der Prägung und Ausbildung durch Züchter und Führer.

Individualität Letztlich wird für den Erwerber ausschlaggebend sein, ob die Spezifika eines Rüden oder aber einer Hündin besser in die persönliche Situation und Planung passen.

Ansonsten gibt einem der gute Züchter noch viele Tipps, die eine Entscheidung zwischen Rüde oder Hündin leichter machen.