In der täglichen Arbeit mit Hunden zeigt sich immer wieder, dass das Spiel weit mehr ist als nur ein bloßer Zeitvertreib. Es ist die Grundlage für die spätere Zusammenarbeit, ein Ventil für natürliche Instinkte und der wichtigste Baustein für eine tiefe, vertrauensvolle Bindung zwischen Mensch und Hund. Doch nicht jede Form der Beschäftigung, die auf den ersten Blick Freude bereitet, ist auch langfristig förderlich für die körperliche und seelische Gesundheit des Tieres. Ein weit verbreitetes Phänomen auf Hundewiesen und in heimischen Gärten ist das endlose Werfen von Bällen. Was für den flüchtigen Betrachter nach purer Lebensfreude und einer schnellen Art der Auslastung aussieht, entpuppt sich bei genauerer fachlicher Betrachtung oft als eine Tätigkeit, die dem Hund mehr schadet als nützt.

Das Problem beim klassischen Ballwerfen liegt vor allem in der Art der Erregung, die dabei im Hundekörper ausgelöst wird. Sobald der Ball fliegt, setzt beim Hund ein tief verankerter Beutereflex ein. Er schießt impulsiv los, ohne nachzudenken, getrieben von einem massiven Ausstoß an Stresshormonen wie Adrenalin und Cortisol. Dieser Zustand gleicht einem Rausch, der das Nervensystem in Sekundenbruchteilen auf ein Maximum hochfährt. Da das Objekt der Begierde immer wieder geworfen wird, bekommt der Hundekörper keine Gelegenheit, diese Hormone wieder abzubauen. Statt einer gesunden Ermüdung tritt eine Überreizung ein, die viele Hunde regelrecht ballverrückt werden lässt. Solche Tiere können sich oft nicht mehr auf ihre Umwelt konzentrieren, zeigen eine starke Fixierung auf das Spielzeug und entwickeln eine niedrige Schwelle für Frust, wenn der Ball einmal nicht fliegt. In der Hundeausbildung ist ein solch unkontrolliertes Hochfahren des Stresspegels kontraproduktiv, da ein brauchbarer Hund auch in hochpassionierten Momenten stets ansprechbar und besonnen bleiben muss.

Neben der psychischen Belastung spielt die körperliche Komponente eine wesentliche Rolle. Die Bewegungsabläufe beim Ballspielen sind für den Bewegungsapparat des Hundes äußerst strapaziös. Das abrupte Beschleunigen aus dem Stand, gefolgt von harten Stopps und oft unkontrollierten Wendungen, wenn der Ball unvorhersehbar springt, belastet die Gelenke, die Sehnen und die Wirbelsäule in einem Maße, das in keinem Verhältnis zum Nutzen steht. Besonders für junge Hunde im Wachstum oder schwere Rassen können diese Belastungsspitzen langfristige Schäden an der Struktur des Körpers verursachen. Ein erfahrener Hundeführer achtet zeitlebens auf die Schonung der Knochen und Bänder, damit der Hund bis ins hohe Alter fit und schmerzfrei bleibt. Ein Spiel, das den Körper derart verschleißt, widerspricht dem Gedanken der gesundheitlichen Vorsorge.

Eine weitaus sinnvollere und für die Beziehung wertvollere Alternative stellt das gemeinsame Zergelspiel dar. Beim Zergeln, also dem Ziehspiel an einem geeigneten Seil oder einem weichen Beutestück, wie eine Rehdecke, findet eine echte Interaktion statt. Im Gegensatz zum Ballwerfen, bei dem der Mensch lediglich als Wurfmaschine fungiert und der Hund sich weit entfernt, agiert man beim Zergeln Auge in Auge und in direktem körperlichem Kontakt. Dies fördert die Bindung auf eine Weise, die ein bloßes Hinterherjagen niemals erreichen kann. Das gemeinsame Kräftemessen schweißt zusammen und lässt ein echtes Team entstehen. Der Hund lernt hierbei, seine Kräfte gezielt einzusetzen und seinen Körper bewusst wahrzunehmen, ohne dabei die Kontrolle zu verlieren.

Ein entscheidender Vorteil des Ziehspiels ist die Steuerbarkeit der Intensität. Der Mensch hat zu jedem Zeitpunkt die Möglichkeit, das Tempo und den Druck zu regulieren. Durch gezielte Pausen und das bewusste Herunterfahren der Dynamik wird dem Hund vermittelt, wie er mit seiner eigenen Aufregung umgehen kann. Dies fördert die sogenannte Impulskontrolle und die Frustrationstoleranz – Eigenschaften, die für einen entspannten Alltag und eine erfolgreiche Ausbildung unerlässlich sind. Der Hund erfährt, dass das Spiel nur dann weitergeht, wenn er sich an gewisse Regeln hält und trotz aller Leidenschaft empfänglich für die Signale seines Partners bleibt. So wird aus einem einfachen Zeitvertreib ein wertvolles Trainingstool, das den Charakter festigt und das Selbstbewusstsein des Tieres stärkt.

Das Zergeln bietet zudem ein natürliches Ventil für den Beutetrieb. Das Halten, Schütteln und Zerren entspricht den instinktiven Verhaltensweisen, die ein Hund von Natur aus mitbringt. Wenn dieses Bedürfnis in einem kontrollierten Rahmen befriedigt wird, ist der Hund im Alltag oft deutlich ausgeglichener. Es geht nicht darum, den Hund wild zu machen, sondern darum, seine Energie in geordnete Bahnen zu lenken. Ein Hund, der mit seinem Menschen gemeinsam um eine Beute gekämpft hat und diese am Ende vielleicht sogar als Sieg davontragen darf, empfindet eine tiefe Zufriedenheit. Diese Form der geistigen und körperlichen Auslastung ist wesentlich nachhaltiger als das stumpfe Rennen hinter einem runden Gummiobjekt oder Tennisball.

Natürlich muss ein Ball nicht vollständig aus dem Leben eines Hundes verschwinden. Wenn das Spielzeug kontrolliert eingesetzt wird, beispielsweise als gezielte Belohnung für eine sauber ausgeführte Aufgabe oder als Übung für das ruhige Halten und Bringen, kann es durchaus seine Berechtigung haben. Wichtig ist jedoch, dass der Mensch die Kontrolle über das Geschehen behält und nicht zum Diener einer Sucht wird. Das Ziel sollte immer ein Hund sein, der zwar voller Passion arbeiten und spielen kann, aber jederzeit in der Lage ist, zur Ruhe zu finden. Ein entspannter Hund ist ein gesunder Hund, und ein Team, das wirklich miteinander spielt und kommuniziert, schafft eine Basis, die durch kein weggeworfenes Spielzeug der Welt ersetzt werden kann. In der Ruhe und in der gemeinsamen Aktion liegt die Kraft, die einen guten Begleiter und einen glücklichen Familienhund auszeichnet.

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