In letzter Zeit höre ich nur noch von Phantomen. Mir persönlich ist er noch nicht begegnet…

Folgendes zeichnet den mir unbekannten Super-(Malinois-)Welpen aus:

  • er hat niemals Angst
  • er ist nie unsicher
  • er läuft über alle Untergründe
  • er ist ein motorisches Wunder
  • er spielt mit allem
  • er apportiert alles
  • er hat Griffe wie ein Schraubstock
  • er beisst mit 8 Wochen auf große, harte Beute, die man dann selbstverständlich schenken muss, da der Hund nicht mehr auslässt (kann er ja noch nicht)
  • er hat Beutetrieb ohne Ende auf alles
  • er frisst wie ein Beknackter beim Futtertreiben (sonst natürlich auch, aber Handschuhe sind Pflicht)
  • er ist nach ein paar Tagen stubenrein
  • er schläft gleich durch
  • er stellt schon bedrohliche Menschen (die uns natürlich täglich in böser Absicht heimsuchen) und macht das aus absoluter Sicherheit
  • er sucht schon die ernsthafte Auseinandersetzung mit seinem neuen Besitzer, denn er ist absolut selbst- bewusst und dominant
  • aber er kann natürlich differenzieren, denn er ist absolut offen und freundlich (wenn man ihn nicht ärgert)
  • er ist immer aktiv und nicht müde zu bekommen, aber im Haus angenehm ruhig
  • die Unterordnungsbereitschaft ist absolut geil und der Welpe bietet sich den ganzen Tag an
  • neue Übungen kann er nach fünf Wiederholungen aus dem Sprunggelenk schütteln

Der Lebensraum des Super-Welpen heißt Facebook… man sieht ihn auf Hundeplätzen eher selten und wenn, hat er gerade einen schlechten Tag, weil er geimpft wurde, weil er eine Wurmkur bekommen hat, weil der Althund ihn geregelt hat oder oder oder… aber die Unsicherheit/ Unlust/ unspektakuläre Art hat er ja noch nie gezeigt. Im Zweifel liegt es auch einfach nur am Betrachter, der die Qualität des Super-Welpen nicht erkennt, sondern einfach nur denkt: „ach, guck mal, ein ganz normales, nettes Mali-Baby“.

Zurück zum Ernst, es nervt mich kolossal. Ein Hund – auch ein Mali – darf Unsicherheiten zeigen (meine haben es bisher alle getan, mal früher, mal später, mal mehr, mal weniger). Sie gehören zum Leben und Lernen dazu. Ein Lebewesen ohne Unsicherheiten ist ein Psychopath. Ein Lebewesen ohne schlechte Tage gibt es nicht. Beutetrieb darf sich entwickeln, ein Hund darf Menschen oder Tiere doof finden (ich mag auch nicht jeden, mit 40 Jahren noch nicht – hat sich nicht verwachsen). Ein Hund darf mal in die Wohnung pinkeln, wenn er mit 10 Wochen mal muss und ich gerade im Keller bin. Er darf nicht verstehen was ich gerade von ihm will. Er darf eine Blume, einen Schmetterling, eine Mülltonne, einen LKW, ein Fahrrad für einen Moment interessanter finden als seine Nase in meine Futterhand zu bohren. Ein gelber Sack auf dem Spazierweg darf gruselig sein, der Getränkekasten in der Garage auch. Er darf mir zu Hause ganz furchtbar auf die Nerven gehen, weil er auf dem Platz müde war und lieber mit dem Helfer schmusen wollte als dem Hetzleder nachjagen und jetzt aber gern die Blätter von der Palme ziehen oder den Schuh zum zehnten mal wegschleppen und anfressen will. Er darf über Plastikplanen und Gitterroste rennen, aber unter der ersten Brücke über den Bach Alligatoren oder andere fleischfressende Wesen vermuten. etc. pp….

Das alles darf er mindestens bis er ein Jahr alt ist. Manchmal auch bis er zwei Jahre alt ist. Je nachdem wie ich damit umgehe. Und manchmal darf, bzw. muss er das auch bis ans Lebensende, wenn ich falsch damit umgehe.

Meistens darf er das bis ans Lebensende aber nicht bei dem, der ihn hochmotiviert angeschafft hat, der aber selbst falsch damit umgeht. Denn dann muss der Hund meist weg.

Und manchmal kommt es auch vor, dass einige Geister für den Hund nie so ganz den Grusel verlieren. Oder dass der Beutetrieb doch nicht so belastbar ist. Oder der Hund nie über spiegelnde Untergründe lustig traben wird. Dass der Hund sich nie gern von Fremden anfassen lassen möchte. Auch da gibt es viele Dinge, die sich manchmal leider nicht ganz auflösen lassen. Und wenn der Hund aus bestimmten Gründen (Dienst und Zucht lassen wenig Spielraum in den Anforderungen zu) diese Kriterien erfüllen muss, es aber nicht tut, ist auch gegen eine gute Vermittlung in passende Hände nichts einzuwenden.

Der junge in der Entwicklung stehende Malinois braucht keine Bevormundung und keine Vermeidungstaktik. Er braucht einfach einen verlässlichen, entspannten Hundeführer, der selbst in sich ruht und in gruseligen Situationen gelassen und sicher eine Stütze bietet und Ansprechpartner ist, wenn der Hund ihn braucht. Und manchmal, wenn der Lösungsansatz vom Hund tatsächlich der falsche ist, er trotz dezenter Anleitung den falschen Ansatz sucht, braucht er jemanden, der den richtigen Weg zeigt. Das kann auch mal laut sein, das kann auch mal hart sein. Das kann aber auch sehr leise und weich sein. Je nach Hund und je nach Situation. Ein Mali ist keine harte Sau, kein Killer, kein Ferrari, kein Zerstörer, kein Macher. Eigentlich sind es Weicheier was Herrchen oder Frauchen angeht und das sollte man sich immer mal bewusst machen. Sie bekommen unsere Stimmungen genau mit und sind sehr abhängig davon.

Es sind keine Hunde für die oberen Hundert der Hundesportszene, aber für die oberen der Empathie, Fairness, Geduld, Selbstbeherrschung und Selbstreflektion.

Wer sich einen Mali kauft, gerade für den Sport, sollte aber vielleicht doch vorher mal ein paar Infos einholen. Und er sollte wissen, dass pro Disziplin und Verband nur einer pro Jahr Weltmeister werden kann. Die Chance, dass gerade man selbst es in drei Jahren mit dem neuen Welpen sein wird, ist einfach gering.

Ja, und der Mali muss auch nicht mit zwei Jahren alle Ausbildungsstufen durch haben. Er muss mit 8 Monaten nicht beißen wie ein Berserker, er muss keine Unterordnung laufen wie ein dreijähriger Hund. Er muss nicht mit 5 Monaten schon alle Elemente der Unterordnung zeigen können. Er muss nicht täglich auf einem Eimer gymnastisiert werden, damit er Wendungen und Winkel perfekt zeigen kann, die technischen Übungen müssen noch nicht sitzen. Er muss nicht perfekt apportieren können. Er muss sicher bevor er geröntgt wurde und wenigstens in der Größe ausgewachsen ist, keine Hürden springen. Entweder hat er Sprungvermögen und Technik, oder man muss es üben, das kann man auch noch mit 12, 15, 18…. Monaten (verhält sich mit dem Beißen ganz genauso). Aber er muss sich täglich frei bewegen dürfen, rennen, laufen, klettern wie er will, um seinen Körper und seine Möglichkeiten selbst auszutesten und Vertrauen in seine Fähigkeiten zu entwickeln.

Er muss gefördert, aber nicht überfordert werden. Er braucht Grenzen, aber auch Freiraum.

Verlange ich von meinem (jungen) Mali, dass er sich ruhig verhalten soll, muss ich ihm vorher Gelegenheit geben, überschüssige Energie loszuwerden. Verlange ich von ihm Benehmen, muss ich es ihm vorher beibringen. Und hinterher muss er wieder Gelegenheit haben, seine gesammelte Energie loszuwerden.

Der Mali ist ein Gebrauchshund, ein Misstrauen gegenüber Fremden ist erstmal normal. Er muss nicht mit jedem schmusen, um sozial zu sein. Sozial sein heißt schon, sich zu integrieren und anderen nicht zu schaden. Sich gegen andere abzugrenzen, ist für ein soziales Lebewesen ebenfalls normal. Es gäbe keine Familien, wäre dies nicht so. Dann wäre die Welt eine einzige große Alt-68er-Kommune.

Ein Mali muss auch nicht blindlings jedem Blatt hinterherhüpfen, weil er dem Beutereiz nachgibt. Ein Hund der über eine Brückenbrüstung springt und un- ten heil ankommt hat Glück, sein Besitzer fast einen Herzkasper. Schicke ich den Hund, dann sollte er soviel Vertrauen haben drüberzuspringen, ohne vor- her zu gucken. Alleine sollte er in der Lage sein, das Terrain noch zu sondieren.

Es ist auch nicht normal, dass ein Mali 1,5kg High Energy-Futter täglich fressen muss, um wie ein Steroid-Bambi auszusehen. Ein Mali ist eigentlich ein guter Futterverwerter. Er ist eigentlich ein stabiler Hund, kein Windhund-Mix. Es ist also nicht cool, wenn ich den Hund stopfen muss bis zum Geht – nicht – mehr um ihn am Leben zu halten. Und es ist nicht normal, dass ein Mali 17 (Hündin) oder 22 (Rüde) kg wiegt.

Es ist auch nicht normal, dass ein Mali drei Stunden täglich laufen muss, eine Stunde Unterordnung und noch eine Fährte absolvieren muss, dreimal die Woche beißen muss, damit er abends endlich mal liegt und schläft. Auch das ist nicht cool, das ist übertrieben und in Folge kein Wunder, wenn der Hund mit 8 Jahren völlig verbraten ist.

Ein Hund muss nicht am Tag 100mal Start-Stop-Ballfangen spielen, er muss nicht 50 Frisbees möglichst hoch und verdreht aus der Luft fangen und auf der Fehlkonstruktion Hundeknie landen, damit ich ein cooles Foto für Facebook geschossen habe. Das ist ebenfalls nicht cool und es ist kein Wunder, wenn der Hund dann eine Kreuzband-OP braucht, mit sechs Jahren Spondy und BSV hat.

Ein Mali der ruhig an der Leine neben seinem Besitzer steht, ist heute schon eine Schlaftablette. Man hat den Hund zwar noch nicht arbeiten gesehen, aber das Urteil steht. Dass der Hund vielleicht einfach öfter in seinem Leben einfach nur neben seinem Besitzer an der Leine gestanden hat, ohne dass et- was besonderes passierte, sprich, dass er am normalen Alltag teilnimmt, ohne immer bespaßt zu werden, scheint gar nicht denkbar. An-Aus-Schalter ist so ein beliebtes Wort. An bedeutet Vollgas, Aus bedeutet Hund sitzt in Box oder ist nach seinem täglichen Dauerspaßprogramm tatsächlich abends einfach durch.

Nein, falsch, das bedeutet, dass ein Mali seine Energie freisetzt, wenn es nötig ist und nicht alles verschießt ohne Grund.

Nein, ein Hund muss Hund sein dürfen, auch ein Mali. Er muss auch mal ohne meine ständige Ansage und Abfrage einfach am Waldrand schnüffeln dürfen, über eine Wiese rennen, er darf auch mal ungehorsam sein und einen Unterschied zwischen Hundeplatzgehorsam, Alltagsgehorsam und Freizeit kennen. Er darf auch mal an der Leine ziehen, seinen Pferdeapfel schnell runterschlucken bevor das Aus kommt. Er darf den Nachbarshund anpöbeln, weil der morgens aufreizend an seinen Zaun pinkelt. Er darf auch mal Fehler machen, die er noch nie gemacht hat und auf dem Hundeplatz einen Tag einfach mal nur blöd sein.

Denn wir dürfen das auch. Wir dürfen uns Urlaub vom Hund nehmen und machen was uns gefällt. Der Hund wird auf uns warten und uns nicht übelnehmen, dass wir ohne ihn Spaß hatten. Er freut sich nur, dass wir wieder da sind. Deshalb sind es Super-Malinois-Welpen und -Hunde. Weil sie uns unsere kleinen Fehler und Macken verzeihen, unseren kleinen Verrat an ihnen.

Und so sollte es uns auch gehen.

Mit freundlicher Genehmigung von
Julia Maus, Zwinger Malinoid
www.malinoid.de